jahnna Halm, Tusche

erinnern jahnna Stufen C, Tusche (Kapitel 3)

Erinnere dich an die Schönheit, die du heute der Erde schenken könntest, die uns seit Jahrtausenden trägt.

Erinnere dich an den Halt, den du heute einem Mitmenschen geben könntest.

Erinnere dich an den in dir, der gerade diese Zeile liest, der denkt und fühlt und all die Eindrücke im Innen, Körper und Außen erlebt.

Erinnern ist nicht nur das Hervorholen eines im Gedächtnis abgelegten Gedankens mitsamt verbundenem Gefühl. Es ist auch ein Nach-Innen-Gehen, ein Verbinden mit dir selbst. Wenn es dir gelingt, dich im Erinnern nicht selbst zu vergessen.

Mitunter ist es hilfreich, sich zu erinnern. An das, was ich einkaufen wollte. An das Versprechen, das ich gegeben habe. An die Geschehnisse, die ich bis heute nicht verarbeitet habe.

Jeder von uns ist auf verschiedene Arten und Weisen geprägt. Neben dem bewussten Erleben scheint es ein unbewusstes zu geben. Wir scheinen Altes, Ungeklärtes, Verdrängtes, Gewohnheiten, Muster, Glaubenssätze, falsche Vorstellungen, aufgestaute Gefühle, fremde Bilder, Geschichten, Träume, Illusionen und Schatten in uns zu tragen.

Das Leben erinnert mich immer wieder daran, was in mir noch nicht erlöst ist. Es schickt mir Erinnerungen, um etwas in mir Ungelebtes im Hier und Jetzt zu durchdringen. Um mich selbst in all den inneren und äußeren Wirren zu finden, komme ich nicht umhin, das in mir Ungesehene, Unerfüllte, Aufgestaute, Verfestigte, Falsche, Fremde und Hinderliche zu klären.

Ich ahne, dass niemand anderes als ich selbst mein Leben zu dem gemacht hat, wie es heute ist. Erinnern ist die Methode des Selbst, im Wiedererleben einer inneren Prägung etwas Ungelöstes im eigenen Gemüt und in der Verbindung mit anderen Seelen zu vergeben.

Wie viele deiner Prägungen erkennst und erlebst du?

Der junge Arthur (Geschichten zum Vorlesen Nr. 4)

Arthur wuchs mit seinem Bruder Kay auf. Vor ihrem Vater, ein tapferer und gewissenhafter Mann, verhielt sich Kay stets respektvoll. Doch wenn die Jungen unter sich waren, triezte Kay seinen um einige Jahre jüngeren Bruder und schickte ihn aus wie einen Leibeigenen. Doch Arthur liebte seinen Bruder und machte sich selbst Vorwürfe. Auch blieb ihm nicht unbemerkt, dass seine Mutter seinem Bruder eine Zärtlichkeit schenkte, die sie ihm vorenthielt. So lag ein Schimmer von Fremdheit über den Tagen seiner Jugend. Andere Jungen hänselten ihn wegen seiner rötlich-blonden Haare, die in dieser Gegend unüblich waren.

Eines Nachmittags kehrte er früh vom Spiel ins Haus. Still stand er in der Diele und hörte seinen Vater in der Stube mit der Mutter sprechen. Es war ihm abträglich zu lauschen, doch die Stimme des Vaters klang eindringlich und so konnte sich Arthur nicht erwehren durch das Schlüsselloch zu schauen. Er sah den Rücken seines Vaters und das Gesicht der Mutter vor sich, die ihrem Mann mit wachen Augen zuhörte. Er verstand nur wenig, denn der Vater sprach leise. Einmal glaubte er den Namen ‹Merlin› zu hören und dann folgte deutlich ein Satz, der ihn bis ins Mark erschütterte: «In weniger als zwanzig Monden wird er ihn holen.» Die Mutter drehte ihren Kopf zur Tür und sah ihm direkt in die Augen, als wenn sie seine Gegenwart gespürt hätte. Arthur erschrak, wandte seinen Kopf schnell ab und stahl sich lautlos aus dem Haus.

Er kletterte auf dem runden Felsen am Rande des Waldes und blickte in die Ferne. Das Bild der Mutter ließ ihn nicht los, ihre Augen, wie sie ihn angeschaut hatte, und mehr denn je war sie ihm fremd. Immer wieder sprach er leise den Namen ‹Merlin› und lauschte auf den Nachklang der Silben. Lange saß er still und aufrecht. Er hob seinen Blick zur Sonne, die den Tag lang hinter einer Decke aus Wolken verbracht hatte und in diesem Moment unter ihnen zum Vorschein kam. Mit einem Mal sah Arthur in seinem Innern einen Mann mit weißem, langem Bart vor sich, blickte in seine liebevoll funkelnden Augen und Arthur erstarrte, denn der Blick des Mannes ging bis in sein Innerstes. Eine mächtige Hand erschien vor seinem Gesicht und strich ihm über den Kopf. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er in den Händen dieses Mannes ganz klein ist. «Ich bin eigener Herkunft!» durchzuckte es ihn und in einer Woge der Erkenntnis wurde ihm klar, dass sein Vater und seine Mutter ihm nur Obhut gaben. Mit einem tiefen Atemzug richtete er sich auf dem Stein auf, füllte seine Brust mit der kühlen Luft der weiten Welt und über seine Wangen liefen Tränen, die bald auf sein altes Gewand tropften.

Beim nächsten Besuch in der nahen Stadt erstand er einen einfachen Ring, der dem ähnelte, den er an Merlins Finger gesehen hatte. Fortan legte er seine Hände zusammen, wenn sein Bruder ihn schalt oder er den Jungen gegenüber trat, und in der Berührung des Ringes erinnerte er sich, dass er mehr war, als er sein Leben lang geglaubt hatte zu sein.

[frei nacherzählt aus: Artus – König der Könige, John Matthews, illustriert von Pavel Tatarnikov, Urachhaus, 2009, Stuttgart]

PS: ‹Erinnern› ist eines der Worte mit der Vorsilbe ‹er›, siehe auch ‹erleben›. Es bedeutet im Ursprung: «ER im Innern» und damit: «das Leben im Innern», «zur inneren Lebendigkeit in sich gehen».

Gemüt Trennstrich senkrecht A, Tusche Unterschied Trennstrich senkrecht B, Tusche Vergangenheit Trennstrich senkrecht C, Tusche aufgestaute Gefühle Trennstrich senkrecht D, Tusche verletzt Trennstrich senkrecht E, Tusche

Themen Trennstrich senkrecht C, Tusche Wiedererleben Trennstrich senkrecht B, Tusche Zukunft Trennstrich senkrecht A, Tusche Was fehlt? Trennstrich senkrecht E, Tusche erfüllt Trennstrich senkrecht D, Tusche Übung

veröffentlicht am 6.4.2016, letzte Änderung am 28.11.2017 um 11:11 Uhr

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